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Wirtschaftslexikon
Ausgabe 2017
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Spieltheorie

formale Sprache zur Beschreibung und Analyse von Konfliktsituationen und Koordinationsproblemen in strategischen Entscheidungssituationen. Derartige Situationen sind dadurch gekennzeichnet, dass es (a) aufgrund der geringen Zahl von Entscheidem (Agenten, Spielern) für den einzelnen sinnvoll erscheint, Annahmen über die Entscheidungen der anderen zu machen, um den eigenen (individuellen) Präferenzen entsprechend eine in bezug auf das Ergebnis optimale Entscheidung zu treffen, und dass (b) das Ergebnis von den Handlungen aller Entscheider bestimmt wird. Die spieltheoretische Behandlung einer strategischen Entscheidungssituation gliedert sich (a) in die Beschreibung als Spiel und (b) in die Anwendung von spieltheoretischen Lösungskonzepten (Gleichgewichtskonzepte der Spieltheorie). Die inhaltlich gehaltvollste Beschreibung eines Spiels ist der Spielbaum. Er gibt die Entscheidungssituationen, denen sich der einzelne Spieler im Spielverlauf gegenübersieht, durch Entscheidungsknoten wieder und bildet die möglichen (Spiel-) Züge, über die ein Spieler in einem bestimmten Knoten verfügt, durch Äste ab. Ist N = { 1,...,n) die Menge der Spieler, so enthält der Spielbaum mindestens n-viele Entscheidungsknoten. Die Ergebnisse der Entscheidungen sind durch die Endknoten repräsentiert, und die Bewertung dieser Ergebnisse durch die Spieler wird jeweils durch einen Nutzen- bzw. Auszahlungsvektor u = (u1,...,u„) ausgedrückt, der dem entsprechenden Endknoten zugeordnet ist (vgl. Abb. 1 und 2). Für die Nutzen- bzw. Auszahlungsfunktionen der Spieler ist unterstellt, dass sie vom von-NEUMANNMORGENSTERN-Typ sind, d.h., dass sie der Erwartungsnutzenhypothese gehorchen.
Spieltheorie Die Sequenz von Entscheidungen ergibt sich dadurch, dass die Spieler die im Spielbaum nachfolgenden Entscheidungen der anderen Spieler nicht kennen. Kennt ein Spieler alle vorausgehenden Züge »mit Sicherheit«, hat er also perfekte Information, so ist jede Situation, in der er eine Entscheidung zu treffen hat, durch eine Informationsmenge gekennzeichnet, die nur einen Knoten enthält (Abb. 1). Ein Spieler hat komplette Information, wenn er die Parameter kennt, die in die Beschreibung des Spiels eingehen; das gilt insbes. in bezug auf die Strategienmengen und Nutzenfunktionen der anderen Spieler. Entscheidet ein Spieler, wie in Abb. 2 für Spieler 2 skizziert, ohne die Entscheidungen der anderen zu kennen, so enthält seine Informationsmenge mehr als einen Knoten. In Abb. 2 ist durch gestrichelte Linie gekennzeichnet, dass die Knoten A und B aus der Sicht von Spieler 2 in der gleichen Informationsmenge liegen; die Linie drückt aus, dass Spieler 2 im Moment seiner Entscheidung nicht weiß, ob Spieler 1 s11 oder s12 wählte. Teilspiele, die mit einer Informationsmenge beginnen, die nur einen Knoten enthalten und für die, von diesem Knoten ausgehend, jede nachfolgende Informationsmenge nur solche Knoten enthält, die durch Äste direkt oder indirekt mit dem Ausgangsknoten verbunden sind (und mit keinem Knoten aus einem Teilspiel, das nicht den Ausgangsknoten enthält), heißen reine (propere) Teilspiele (Gleichgewichtskonzepte der Spieltheorie). Das Spiel in Abb. 2 hat nur ein reines Teilspiel, nämlich das Spiel selbst, während das Spiel in Abb. 1 drei reine Teilspiele hat. Werden die Spieler im Spielverlauf mehr als einmal vor eine Entscheidung gestellt, so ist die Darstellung des Spiels mit Hilfe eines Spielbaums oft unübersichtlich. Man behilft sich dadurch, dass man die Züge eines Spielers zu Strategien zusammenfaßt und, dargestellt durch eine (Spiel-) Matrix, jedem Strategienvektor s = (s 1,...,s„), dem ein Spielergebnis entspricht, den dazugehörigen Nutzen- bzw. Auszahlungsvektor u = (u1....,u) zuordnet. Eine derartige Darstellung heißt Matrixspiel bzw. Spiel in strategischer Form (oder auch Normalform). Die Matrix in Abb. 3 gibt sowohl die strategische Form des Spiels in Abb. 1 als auch in Abb. 2 wieder; dies illustriert den (möglichen) Informationsverlust durch den Übergang vom Spielbaum zum Matrixspiel. Dieser Informationsverlust wäre z.T. zu vermeiden, wenn die bedingten Strategien des Spiels in Abb. 1 explizit in der Matrix berücksichtigt würden (wie in Abb. 4, in der z.B. (s21/s11 und s22/s12) die Strategie »s21, falls Spieler 1 s11 wählt, und s22, falls Spieler 1 s12 wählt« ausdrückt). Dann aber wird auch die Matrixdarstellung aufwendig und unübersichtlich. Ohne zusatzliche Information liest sich Abb. 3 so, als wählten die Spieler ihre Strategien simultan. (Unter dieser Voraussetzung gibt diese Abb. ein Chicken-Spiel wieder.) Die Spielregeln werden durch die Strategienmengen Si der Spieler i in N (sii ist ein Element von Si und s21 ein Element von S2) und die aus den Entscheidungen über die Strategien resultierenden Ereignissen erfaßt. Diese Bestandteile stellen die Spielform eines Spiels dar: Die Spielform ist ein Spiel »abzüglich der Nutzenfunktionen«. Sehen die Spielregeln vor, dass die Spieler verbindliche Abmachungen treffen können, so liegt ein kooperatives Spiel bzw. ein Verhandlungsspiel vor. Allgemein können wir ein Spiel durch I = (N, S, u, R) beschreiben, wobei N = { 1,...,n} die Menge der Spieler, das kartesische Produkt S = S1x...xS„ der Strategienraum und u = (u1,...,u5) der Vektor der Nutzen- bzw. Auszahlungsfunktionen ist, mit denen die Spieler die Ereignisse bewerten, die aus der Wahl alternativer Strategienvektoren s = resultieren. Si ist die Strategienbzw. Handlungsmenge des Spielers i in N; jeder Spieler i wählt ein Element seiner Strategienmenge Si. R enthält zusätzliche Spezifikationen der Spielregeln, z.B. ob die Spieler verbindliche Abmachungen treffen können.
Spieltheorie Ein spieltheoretisches Lösungskonzept F ist eine Funktion, die dem Spiel F entweder einen Auszahlungsvektor u oder einen Strategienvektor s als Lösung zuordnet. Es ist eine Korrespondenz, wenn die durch F bestimmte Menge mehr als nur ein Element enthält. Die wichtigsten Lösungskonzepte für - nicht kooperative Spiele sind das NASH-Gleichgewicht, die Maximinlösung und das Gleichgewicht in dominanten Strategien. Für - kooperative Spiele unterscheiden wir Lösungskonzepte, die grundsätzlich nur einen Auszahlungsvektor auswählen, und Lösungskonzepte, die Mengen bestimmen, die mehr als ein Element enthalten, aber auch leer sein können. Zur ersten Kategorie zählen die - NASH-Lösung, die KALAI-SMORODINSKY-Lösung und der SHAPLEYWert; zur zweiten sind der Kern, die stabilen Mengen und die Verhandlungsmengen zu rechnen. Literatur: Gtith, W. (1992). Holler, M.J., Illing, G. (1996). Friedman, J.W. (1986)

Der Begriff Spieltheorie wird im all­gemeinen allein zur Bezeichnung solcher Situa­tionen verwendet, in denen mehr als ein einzel­ner rationaler Spieler bzw. ein einzelnes Interes­se eine Rolle spielen. Er wird mitunter umfassender zur Bezeichnung der mathematischen Entscheidungstheorie insgesamt verwendet. Eine wichtige Unterscheidung in der Spieltheorie ist die Unterscheidung zwischen Zwei-Perso­nen-Spielen und N-Personen-Spielen (N > 2). Weiter wird häufig unterschieden zwischen strikt wettbewerblichen Spielen, Koordinations-Spielen und partiell wettbewerblichen Spielen.
Bei - strikt wettbewerblichen Spielen (pure con­flict games) impliziert jeder Gewinn des einen Spielers jeweils für wenigstens einen der ande­ren Spieler einen Verlust. Diese Spiele werden auch als Nullsummenspiele bezeichnet, doch muss es nicht in einem strengen Sinne gelten, dass sich die Nutzenwerte der Spieler in einem “Nullsummen”-Spiel rechnerisch zu Null addie­ren; es ist hinreichend, wenn mittels linearer Transformationen der Nutzenwerte aller Spieler ein Nullsummenspiel im wörtlichen Sinne erzeugt werden kann. So ist also ein Spiel mit konstanter Summe ein strikt wettbewerbliches Spiel, und die Begriffe “konstante Summe” und “Nullsumme” sind strategisch äquivalent.
Bei - Koordinations-Spielen (coordination ga­mes) befinden sich die Spieler hinsichtlich des gewünschten Spielausgangs in keinem Interes­sengegensatz, doch können bei der Verfolgung des gewünschten Zieles Probleme strategischer Art entstehen. Partiell wettbewerbliche Spiele (mixed-motive games) beinhalten einen Konflikt der Art, dass der von einem Spieler erstrebte Spielausgang sich zwar nicht mit dem von ande­ren Spielern angestrebten Spielausgang deckt, ohne dass es sich aber um ein strikt wettbewerbli­ches Spiel handelt; partiell wettbewerbliche Spie­le enthalten sowohl kooperative als auch kompe­titive Elemente.
Für Zwei-Personen-Nullsummenspiele mit Sat­telpunkt besteht die Lösung für PA darin, die Al­ternative a, zu wählen, und für PB darin, die Alter­native bi zu wählen, wenn für das Spiel ein Sattel­punkt ai existiert. Die Lösung besteht also in ei­ner reinen Strategie, und zwar vom Maxi­min-Typ. Wenn das Spiel keinen Sattelpunkt be­sitzt, kann immer eine randomisierte gemisch­te Strategie gefunden werden, die ebenfalls vom Maximin-Typ ist. Für beide Fälle basieren die Lösungen auf der Annahme, dass der Mitspieler PB rational im Sinne der Strategie ist. Wenn der Protagonist guten Grund hat zu glauben, dass sich sein Mitspieler nicht entsprechend verhält, verliert die Logik der Lösung einiges von ihrer Überzeugungskraft.
Für Nullsummenspiele ohne Sattelpunkt emp­fiehlt sich eine - zufallsgesteuerte gemischte Strategie, also eine auf die Erwartungswerte be­zogene Maximin-Strategie.
Die Nicht-Nullsummenspiele sind idealtypisch in verhandelbare und nichtverhandelbare Spiele unterteilt worden; der Unterschied liegt in der Art der Spieldurchführung: Bei verhandelbaren Spie­len ist vor dem Spiel eine Verständigung der Kontrahenten miteinander zulässig, in deren Ver­lauf die Spieler vielleicht zu einer Einigung über ihr jeweiliges Verhalten - die dann bindend ist - kommen. Die Vereinbarung ist einer geschäftli­chen Abmachung oder einem Vertrag vergleich­bar, nur dass im normalen Leben die Nichteinhal­tung solcher Abmachungen mit unterschiedli­chen Folgen verknüpft ist. Bei nichtverhandelba­ren Spielen muss der Spieler seine Entscheidung ohne vorherige Abmachung mit dem Mitspieler oder vorherige Kenntnis von dessen Absichten treffen.
Im Strategienpaar-Diagramm kann jedes Strate­gienpaar abi als Punkt dargestellt werden: Die Abszisse repräsentiert die Auszahlung bzw. er­wartete Auszahlung für PA bei diesem Strategi­enpaar, die Ordinate stellt die entsprechende Konsequenz für PB dar.
Jede gemischte Strategie, die in einem nichtver­handelbaren Spiel gewählt werden kann, ist auch in einem verhandelbaren Spiel verfügbar - die Spieler können sich darauf einigen, jedes reine oder gemischte Strategienpaar zu spielen, das sie auch ohne Absprache hätten spielen können. Darüber hinaus ermöglicht das Verhandeln die Berücksichtigung von Strategienpaaren, die un­ter der Bedingung der Nicht-Verhandelbarkeit un­möglich wären. Diese Strategienpaare stellen korrelierte gemischte Strategien dar. Sie sind in­sofern gemischt, als die Strategie eines Spielers die Wahl von mehr als einer Alternative als Möglichkeit einschließt, und sie sind insofern kor­reliert, als die Entscheidungen beider Spieler in einem Durchgang nicht unabhängig voneinander getroffen werden.
Das partiell wettbewerbliche Spiel, das die mei­ste Beachtung und experimentelle Untersuchung ertahren hat, ist das — Häftlingsdilemma-Spiel (Prisoner\'s Dilemma Game — PDG).
Es gibt eine Vielzahl von Zwei-Personen-Spielen partiell wettbewerblicher Art, die in der einfachen Normalform nicht beschrieben werden können, die jedoch zur Untersuchung von Kooperation und — Wettbewerb verwendet worden sind. Die­se Spiele bieten sämtlich den beiden Spielern die Möglichkeit, sich gegenseitig an der Erreichung des Ziels zu hindern. Man bezeichnet sie daher als Blockierungs-Spiele (blocking games). Proto­typ dieser Spiele ist das “Fernfahrerspiel”. Ein anderes Modell sind Spiele für “panisches” Ver­halten in Gruppen, wie z.B. das Zapfen-in­der-Flasche-Spiel.

Die Spieltheorie untersucht das rationale Entscheidungsverhalten eines Individuums oder einer Partei in einer sozialen Konfliktsituation unter den gegebenen Rahmenbedingungen. Der Begriff der Spieltheorie geht auf die Untersuchung von Verhaltensweisen bei Gesellschaftsspielen zurück.
Das bedeutendste Werk "The Theory of Games and Economic behaviour" (1944) von NEUMANN und MORGENSTERN wurde als Meilenstein in der Entwicklung der Spieltheorie gesehen.
1994 bekamen NASH, HARSANYI und SELTEN den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften für die Weiterentwicklung der Spieltheorie.

Mithilfe der Spieltheorie lässt sich effizientes Verhalten in Unternehmenskooperationen erklären. Sie liefert ferner wichtige Anhaltspunkte für die Ausgestaltung von Kooperationsverträgen, in denen über die Verteilung der Entscheidungsbefugnisse in Abhängigkeit der jeweils getätigten spezifischen Investitionen entschieden werden sollte.

Die Grundpfeiler zur Analyse der Spieltheorie bilden
(1) die Verhaltensmaxime und
(2) die Rahmenparameter.

Der Verhaltensmaxime liegt die Annahme der Maximierung der individuellen Zielfunktion zugrunde. Für einen individuellen Spieler stellt die Zielfunktion die Nutzenfunktion dar, für einen kooperativen Spieler ist es die Produktionsfunktion. Jeder Spieler strebt die Realisierung eines möglichst hohen Zielerreichungsgrades an. Dieser kann mit der Ausnutzung strategischer Unsicherheit (Opportunismus) verbunden sein. Darüber hinaus sind exogene Unsicherheiten zu berücksichtigen.

Die Entscheidungssituation wird durch die Rahmenparameter beschrieben. Hierzu zählen der/die Spieler, die Ziele, die Bedürfnisse und der Verlauf ihrer Interaktionen. Unter Spielern sind die Individuen zu verstehen, die aktiv in der zu analysierenden Situation mitwirken. Ihre Entscheidungen werden von den Akteuren als gegeben angenommen. Die Interessenlagen der Spieler spiegeln sich in ihren Zielen und Bedürfnissen wider. Der Verlauf der Interaktion beinhaltet die Abfolge der Entscheidungszeitpunkte der einzelnen Spieler.
Unterschieden werden sequenzielle Interdependenzen (TIT FOR TAT) oder simultane Interdependenzen (Gefangenendilemma).
Die Strategie, die der einzelne Spieler wählt, hängt von der Art der zugrunde liegenden Interdependenz ab.


Kritik:
Problematisch ist, dass die Spieltheorie sehr hohe - und damit im Vergleich zu der Annahme der begrenzten Rationalität in der Neue Institutionenökonomik unrealistische - Rationalitätsanforderungen an die kooperierenden Parteien stellt. Zudem werden häufig sehr einfache Nutzenfunktionen verwendet, da es in der Realität nur schwer möglich ist, alle Parameter abzubilden und die Funktionen sonst zu komplex würden.





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