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Wirtschaftslexikon
Ausgabe 2017
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Mitbestimmung

institutionalisierte Beteiligung der Arbeitnehmer oder deren Vertreter an Entscheidungen im Arbeits- und Wirtschaftsleben, insbes. an der Leitung und Organisation der Betriebe bzw. Unternehmen. Der Begriff der Mitbestimmung wird im vorherrschenden Sprachgebrauch enger gesehen als der der Partizipation, welcher allg. auf Entscheidungsbeteiligung von Personen oder Personengruppen abzielt. Er ist aber gleichwohl noch sehr offen. Mitbestimmung umfaßt verschiedene Abstufungen der Arbeitnehmerbeteiligung, die von Informations- und Anhörungsrechten über Mitberatung bis zu Zustimmungserfordernissen und Mitentscheidungsrechten gehen. Von paritätischer Mitbestimmung wird gesprochen, wenn die Vertreter der Faktoren Arbeit und Kapital im Entscheidungsgremium in gleicher Stärke und mit gleichen Rechten vertreten sind. Die Forderung nach Mitbestimmung wird in erster Linie gesellschaftspolitisch begründet. So erfordert aus der Sicht der Christlichen Soziallehre die Würde der Menschen und ihr Selbstbestimmungsrecht eine gleichberechtigte Stellung von Arbeit und Kapital. Die Gewerkschaften betrachten die Entscheidungsbeteiligung der Arbeitnehmer darüber hinaus als notwendige Ergänzung zur Demokratie im politischen Bereich (Wirtschaftsdemokratie). So wie staatliche Macht durch Parlamente soll wirtschaftliche Macht durch Mitbestinunungsinstitutionen kontrolliert werden. Die Begründung von Mitbestimmung als Instrument zu Förderung von wirtschaftlicher - Effizienz ist weniger verbreitet. Mitbestimmung kann auf verschiedenen Ebenen ansetzen. Verbreitet ist die Unterscheidung zwischen der Entscheidungsbeteiligung auf der Ebene der Gesamtwirtschaft, des Unternehmens, des Betriebes und des Arbeitsplatzes. In der BRD ist v.a. die Mitbestimmung auf der unternehmerischen und der betrieblichen Ebene stark ausgebaut. Ansätze auf gesamtwirtschaftlicher Ebene finden sich in einzelnen Bundesländern (vor allem Bremen) bzw. im Bereich der Sozialversicherung. a) Die betriebliche Mitbestimmung bezieht sich auf Entscheidungen in sozialen, personellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Fragen. Gesetzliche Grundlage ist das - Betriebsverfassungsgesetz (1972). Dieses sieht als zentrale Mitbestimmungsinstitution den Betriebsrat vor, der von den Arbeimehmem in freier und geheimer Wahl gewählt wird. Weitreichende Mitbestimmungsrechte besitzt der Betriebsrat v.a. bei sozialen Angelegenheiten. Entscheidungen des Arbeitgebers z.B. über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit oder Urlaubsregelungen werden erst wirksam, wenn der Betriebsrat zustimmt. Im personellen Bereich bestehen je nach konkreter Angelegenheit unterschiedlich abgestufte Rechte. Am schwächsten ausgeprägt sind die Mitbestimmungsmöglichkeiten bei wirtschaftlichen Fragen (Informations- und Mitberatungsrechte). Eine den Besonderheiten des öffentlichen Dienstes angepaßte betriebliche Mitbestimmung sichert das Bundespersonalvertretungsgesetz (1974). b) Mitbestimmung auf Unternehmensebene bezieht sich auf die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Besetzung der Unternehmensorgane, in denen die grundsätzlichen unternehmenspolitischen Entscheidungen getroffen werden. Das Ausmass der Beteiligungsrechte ist von der Rechtsform des Unternehmens, seiner Größe und der Branche abhängig. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist seit 1952 bei Kapitalgesellschaften ein Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrates von den Arbeitnehmern des Betriebes durch Wahl zu bestellen. Wahlvorschläge können dabei sowohl vom Betriebsrat als auch von den Arbeitnehmern gemacht werden. Dies ist die schwächste Form der unternehmensbezogenen Mitbestimmung. Unternehmen, die zum sog. Montan-Bereich (Kohle, Eisen- und Stahlerzeugung) gehören, unterliegen der Montan-Mitbestimmung (1951). Für sie ist eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrates vorgesehen. Die Arbeitnehmervertreter werden auf Vorschlag des Betriebsrates und der Gewerkschaften von der Hauptversammlung gewählt, wobei der Vorschlag bindend ist. Um zu verhindern, dass im Aufsichtsrat Patt-Situationen entstehen und das Gremium die Entscheidungsfähigkeit verliert, wird es durch ein neutrales Mitglied, welches das Vertrauen beider Seiten genießen muß, ergänzt. Eine weitere Mitbestimmungsmöglichkeit ergibt sich auf der Ebene des Vorstands. Ihm muss ein Arbeitsdirektor, welcher nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bestellt oder abberufen werden kann, als gleichberechtigtes Mitglied angehören. Für große Kapitalgesellschaften (mehr als 2 000 Arbeitnehmer) gelten seit 1976 nicht mehr die geschilderten Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern die weitergehenden Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes. Danach wird die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrates nach einem relativ komplizierten Verfahren entweder direkt oder über ein Wahlmännergremium von den beschäftigten Arbeitnehmern gewählt. Obwohl formal Parität herrscht, bewirken verschiedene Vorschriften zur Abstimmung im Aufsichtsrat, dass im Konfliktfall die Anteilseignerseite ein Übergewicht behält. Für den ebenfalls als Mitglied des Vorstands vorgesehenen Arbeitsdirektor gibt es, anders als bei der Montan-Mitbestimmung, keine Sonderrechte bei der Bestellung bzw. Abberufung. Literatur: Marten, H., Peter, G. (1989). Wächter, H. (1983)

- partizipative Führung

(engl. comanagement, codetermination) 1. Begriff: Mitbestimmung in der Wirtschaft bezeichnet die institutionalisierte Beteiligung der Arbeitnehmer bzw. ihrer gewählten Vertreter an der Leitung und Gestaltung der Wirtschaftsprozesse. Dabei wird je nach Grad der jeweiligen Beteiligungsmöglichkeiten unterschieden zwischen Informations , Anhörungs , Beratungsund Mitentscheidungsrechten.

2. Implikationen der Mitbestimmung: Die Mitbestimmung in Deutschland kennzeichnet den programmatischen Ansatz vor allem der reformerischen Arbeiterbewegung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, der insbesondere auf Stärkung des Einflusses der Arbeitnehmer bzw. ihrer gewählten Vertreter und der Gewerkschaften auf die wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungen der jeweiligen Handlungsebenen (Ebenen der Mitbestimmung), Übertragung der Grundgedanken der politischen Demokratie auf das Subsystem Wirtschaft sowie Kontrolle wirtschaftlicher Macht gerichtet ist. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bzw. ihrer Repräsentanten kann aus heutiger Sicht als ein wichtiges Element der Sozialstaatskonzeption angesehen werden und gehört somit zu den Eckpfeilern der deutschen Wirtschafts und Sozialordnung.

3. Ebenen der Mitbestimmung: Neben der Mitbestimmung am Arbeitsplatz und der überbetrieblichen Mitbestimmung setzt sie insbesondere auf betrieblicher und Unternehmensebene an. Die Gewerkschaften haben zwar immer die Interdependenzen der verschiedenen Mitbestimmungsebenen betont und ein integriertes Gesamtkonzept eingefordert. In erster Linie konzentrierte sich die politische Auseinandersetzung jedoch auf die Mitbestimmung auf der betrieblichen und der Unternehmensebene. Hier kam es im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung auch zu den verschiedenen Formen der gesetzlich geregelten Mitbestimmung.

4. Geschichtliche Entwicklung: Institutionalisierte Einflussnahme der Arbeitnehmer auf breiter Ebene gibt es in Deutschland seit 1916 mit dem «Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst», das in allen kriegs und versorgungstechnischen Betrieben eingesetzt wurde und den Arbeiter und Angestelltenausschüssen begrenzte Befugnisse eröffnete. In der Weimarer Republik wurde 1920 das Betriebsrätegesetz verabschiedet, das als Vorläufer des bundesrepublikanischen Betriebsverfassungsgesetzes angesehen wird und das obligatorische Belegschaftsvertretungen für alle Betriebe und Verwaltungen vorsah. Die Betriebsräte hatten die Aufgabe, die Interessen der Arbeitnehmer auf personellem und sozialem Gebiet zu vertreten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führt der insbesondere von den Gewerkschaften und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands artikulierte Wunsch nach einer grundlegenden Neuordnung der deutschen Wirtschaft im. Jahr 1951 in einer historisch einmaligen Situation zum Montanmitbestimmungsgesetz, das bis heute das umfassendste Mitbestimmungsmodell ist (siehe unten). Die Hoffnung der Gewerkschaften, dieses Modell auf alle Großunternehmen zu übertragen, erfüllte sich nicht. Das 1952 verabschiedete Betriebsverfassungsgesetz blieb weit hinter den gewerkschaftlichen Vorstellungen zurück (die Arbeitnehmer behielten im Aufsichtsrat ein Drittel der Sitze, die Einrichtung des Arbeitsdirektors fand keine Berücksichtigung, und auch die Rechte des Betriebsrates beschränkten sich weitgehend auf soziale und personelle Angelegenheiten). 1972 kam es unter der sozialliberalen Koalition zu einer Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Handlungs und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Betriebsräte wurden erweitert, der einzelne Arbeiter erhielt bessere Schutzrechte, und die Position der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung wurde gestärkt. Konnte die Novellierung der Betriebsverfassung noch relativ problemlos umgesetzt werden, so erwies sich die Diskussion um die Reform der Unternehmensmitbestimmung als ein zentrales Koalitionsproblem, weil sich die Freie Deutsche Partei entschieden gegen die Übertragung des Montanmodells auf andere Großunternehmen wandte. Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 verstärkte zwar den Anteil der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat im Vergleich zum Betriebsverfassungsgesetz, blieb aber zugleich in substanziellen Punkten hinter dem Montanmodell zurück. Das Gesetz zielte einerseits auf Verstetigung und andererseits auch deutlich auf die Begrenzung des bundesdeutschen Mitbestimmungssystems. Im Jahr 2001 kam es nach einer breiten öffentlichen Diskussion zu einer abermaligen Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes. Das neue Gesetz sieht erweiterte Freistellungsmöglichkeiten der Betriebsratsmitglieder, eine Erweiterung des allgemeinen Aufgabenkreises des Betriebsrates sowie eine partielle Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates vor.

5. Gesetzliche Mitbestimmungsregeln: Betriebliche Mitbestimmung: Das 2001 novellierte Betriebsverfassungsgesetz sieht als Rechtsgrundlage gegenüber den Gesetzen von 1952 und 1972 eine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte vor. Die Betriebsverfassung ist ihrem Wesen nach als Kooperations und nicht als Konfliktmodell angelegt. Es gilt der Grundsatz der «vertrauensvollen Zusammenarbeit zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebes». a) Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene: Der Betriebsrat wird in Betrieben mit i. d. R. mindestens fünf Arbeitnehmern für vier Jahre gewählt und bildet das institutionelle Zentrum bezüglich der repräsentativen Vertretung von Arbeitnehmerinteressen. Bestehen in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte, so muss ein Gesamtbetriebsrat gebildet werden. Ist das Unternehmen Teil eines Konzerns, so können die verschiedenen Gesamtbetriebsräte einen Konzernbetriebsrat bilden. Der Betriebsrat hat entsprechend den unterschiedlichen Aufgabenfeldern abgestimmte Mitbestimmungsrechte, die sich auf soziale, personelle und wirtschaftliche Angelegenheiten beziehen. In sozialen und personellen Angelegenheiten hat der Betriebsrat weitreichende Mitbestimmungsrechte, während er in wirtschaftlichen Fragen größtenteils nur Informations und Anhörungsrechte wahrnehmen kann. b) Mitbestimmung auf Unternehmensebene: Für die Unternehmensebene bestehen in der Bundesrepublik unterschiedliche Mitbestimmungsregelungen. Dabei handelt es sich um das Montanmitbestimmungsgesetz von 1951, die unternehmensbezogenen Teile des Betriebsverfassungsgesetzes und das Mitbestimmungsgesetz von 1976. Ersteres gilt für alle Bergwerksunternehmen und Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Unternehmen (Montanindustrie) mit i. d. R. mehr als 1000 Beschäftigten. Im Vorstand der Unternehmen wird als ein gleichberechtigtes Mitglied der Arbeitsdirektor vorgeschrieben, der nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter gewählt werden kann. Der Aufsichtsrat ist paritätisch mit Anteilseigner und Arbeitnehmervertretern besetzt. Den Aufsichtsrat komplettiert ein «Neutraler», auf den sich beide Seiten verständigen und der bei potenziellen Pattsituationen die Funktions und Beschlussfähigkeit gewährleisten soll. Die Montanmitbestimmung von 1951 wurde in der Geschichte der Bundesrepublik durch mehrere Sicherungsgesetze modifiziert und gilt in ihrer ursprünglichen Form heute nur noch für wenige Unternehmen. c) Das Mitbestimmungsgesetz von 1976: Es gilt für Großunternehmen und Konzerne mit i. d. R. mehr als 2000 Beschäftigten. Der Aufsichtsrat ist formal paritätisch besetzt. Anders als bei der Montanmitbestimmung entscheidet in Pattsituationen jedoch kein «Neutraler», sondern der von der Anteilseignerseite gewählte Aufsichtsratsvorsitzende erhält ein doppeltes Stimmrecht. Darüber hinaus wird der Arbeitnehmerseite ein Leitender Angestellter zugerechnet. Wie im Montanmodell wird Ausnahme: Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) ein Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied vorgeschrieben, der aber wie alle anderen Vorstandsmitglieder bestellt wird, also auch gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter durchgesetzt werden kann.

6. Herausforderungen für die Mitbestimmung: Im Zuge der Ausbreitung des Dienstleistungssektors und der Umstrukturierung industrieller Großunternehmen in immer kleinere, rechtlich selbständige Einheiten (Outsourcing) verliert die Mitbestimmung rein quantitativ seit den 1980er Jahren zunehmend an Boden. Heute arbeiten bereits ca. 60 % der Beschäftigten im privaten Sektor in einer mitbestimmungsfreien Zone ohne institutionalisierte Interessenvertretung durch einen Betriebsrat oder durch einen Aufsichtsrat. In qualitativer Hinsicht stellt die Globalisierung der Wirtschaft mit der Folge einer sukzessiven Verschärfung des internationalen Wettbewerbs sowie einschneidender Modifikationen der Produktions und Arbeitsbedingungen die Mitbestimmung insbesondere seit Beginn der 1990er Jahre vor neue Herausforderungen. In diesem Kontext werden zunehmende Flexibilitätserfordernisse an die Institutionen und Akteure der Mitbestimmung gestellt. Neue Trends der Unternehmensstrategie und Arbeitsorganisation verstärken darüber hinaus direkte Partizipationsformen auf der Arbeitsplatzebene. Die Balance zwischen repräsentativer Mitbestimmung und Ansprüchen der Arbeitnehmer auf direkte Beteiligung sowie die sich aus diesen Trends ergebenden Strukturverschiebungen auf allen Ebenen der Mitbestimmung kennzeichnen zentrale Herausforderungen an die Mitbestimmung.





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